Israelitische Kultusgemeinde Linz

Bestandsbezeichnungen

Oberösterreichisches Landesarchiv
Bestandsgruppe: Weitere Bestände
Bestand: Sonderbestände
Teilbestand: Israelitische Kultusgemeinde Linz, 1938 bis 1945
Aktenserie: Vermögensanmeldungen
Aktenserie: Arisierungsakten

Kurzbezeichnung für die Aktenart: IKG Linz

Historischer Entstehungshintergrund

Der Teilbestand Israelitische Kultusgemeinde Linz (kurz: IKG Linz) des Oberösterreichischen Landesarchivs (kurz: OÖLA) besteht aus zwei in ihrer Provenienz unterschiedlichen Aktenserien: den Vermögensanmeldungen sowie den Arisierungsakten.

Vermögensanmeldungen entstand in der im Mai 1938 im Ministerium für Arbeit und Wirtschaft eingerichteten Vermögensverkehrsstelle in Wien. Die Vermögensverkehrsstelle konzentrierte sich auf die „Arisierung“ (hauptsächlich von Immobilien und Unternehmen) oder die Liquidation von Klein- und Mittelbetrieben. Sie kontrollierte 1938 Vermögenswerte in der Höhe von zwei Milliarden Reichsmark; das waren cirka zwei Drittel des jüdischen Gesamtvermögens in Österreich. Nach der Entziehung des Großteils der jüdischen Vermögenswerte wurde die Vermögensverkehrsstelle 1939 zur „Abwicklungsstelle“ für die Auflösung der verbleibenden jüdischen Betriebe im Handels- und Gewerbebereich. Als „Referat III Entjudung“ der Reichsstatthalterei Wien bestand die Vermögensverkehrsstelle noch bis Kriegsende 1945 weiter.

Die Aktenzahlen der Arisierungsakten belegen ihre Herkunft aus der ehemaligen Reichsstatthalterei Oberdonau, „Sonderdezernat Entjudung“, das an oberster Stelle der „Arisierungen“ und Vermögensentziehungen stand. Die „Arisierungen“ im Gau Oberdonau unterstanden insbesondere der Abteilung IV mit der Unterabteilung IVc (Wirtschaft und Arbeit) und dem nachgeordneten Sachgebiet IVc/W4 (später: Ib/J). Dem Sachgebiet IVc/W4 oblagen die „Entjudungen“ mit Ausnahme land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes und es wurde auch als „Entjudungsabteilung“, „Arisierungsstelle“ und „Vermögensverkehrsstelle in Linz“ bezeichnet.

Wegen der Konkurrenz zwischen Deutschem Reich, Land Österreich und Gau Oberdonau, auch wegen häufiger politischer Interventionen und halboffizieller Aktivitäten sind die in den Akten dokumentierten Vorgänge der „Arisierungen“ oft unübersichtlich; außerdem sind sie vielfach mit den Akten der Finanzlandesdirektion Oberösterreich (Beschlagnahmte Vermögen – Vermögensrückstellungen [kurz: FLDBV und FLDVR]) und den Akten der Finanzabteilung des Landes Oberösterreich (kurz: FiRK) verbunden.

Das Aktenmaterial dürfte um 1950 in den Besitz der Israelitischen Kultusgemeinde Linz gekommen sein. Sie übergab im Jahr 2002 als Depositum die Vermögensanmeldungen und die Arisierungsakten an das Oberösterreichische Landesarchiv. Dort wurden sie unter der Bezeichnung Israelitische Kultusgemeinde Linz in 13 Faszikeln (Faszikel 1 bis 13) übernommen. Da die Akten weder alphabetisch noch numerisch geordnet waren, hat das Oberösterreichische Landesarchiv, um den Bestand zugänglich zu machen, neue Verzeichnisnummern vergeben. Aus konservatorischen Gründen wurden die Akten vom OÖLA in 14 Archivschachteln (Schachtel 1 bis 14) aufgeteilt. Die Konkordanz zwischen der alten Faszikelnummerierung und der neuen Schachtelnummerierung ist den Angaben zu entnehmen, die jedem Akt im Verzeichnis vorangestellt wurde. Der Bestand gliedert sich in Vermögensanmeldungen (alt: Faszikel 1 bis 3, neu: Schachtel 1 bis 4) und Arisierungsakten (alt: Faszikel 4 bis 13, neu: Schachtel 5 bis 14). Weder die derzeitige Ordnung (2012) der Akten noch die Nummerierung im Verzeichnis lassen Ordnungskriterien erkennen.

Akteninhalt

Die „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938“ (dRGBl. 1938 I S. 414, GBlÖ 102/1938) zwang alle Personen, die im Sinne der „Nürnberger Gesetze“ von 1935 als Juden galten (dRGBl. 1935 I S. 1146, GBlÖ 150/1938) und die ein Vermögen von über 5.000 Reichsmark besaßen, eine Vermögensanmeldung („Verzeichnis des Vermögens der Juden mit Stand vom 27.4.1938“) abzugeben. Auch nicht-jüdische Ehepartner waren von dieser Regelung betroffen. Personen mit nicht-deutscher Staatsbürgerschaft, die unter die „Nürnberger Gesetze“ von 1935 fielen, mussten nur jenes Vermögen angeben, welches sich innerhalb des Deutschen Reiches befand.

Das vierseitige Formular beinhaltet Angaben zur anmeldenden Person (Namen, Beruf, Adresse, Geburtsdatum, Nationalität sowie Religionszugehörigkeit beziehungsweise „Rasse“) und den Mädchennamen sowie die „Rasse“ und Religionszugehörigkeit des Ehepartners. Danach folgten Fragen nach in- und ausländischen Vermögenswerten wie etwa Liegenschaften, Firmenvermögen, Wertpapiere, Darlehens- beziehungsweise Hypothekarforderungen, Schmuck, Versicherungen aber auch nach Pensionsbezügen. Auf der letzten Seite wurde die anmeldende Person aufgefordert ihre Schulden detailliert bekanntzugeben.

Die Arisierungsakten spiegeln den nächsten Schritt im Verlauf der Entziehung des jüdischen Vermögens wider. In den zum Teil sehr umfangreichen Akten befindet sich der gesamte Schriftverkehr, der mit der Vermögensentziehung verbunden war, wie zum Beispiel Ansuchen um Genehmigung der Erwerbung einer Liegenschaft oder eines Betriebes, Einsetzung eines kommissarischen Verwalters, Schätzgutachten über das Vermögen, Kaufvertrag, Genehmigung des Kaufvertrages und anderes mehr.

Informationsgehalt

Die Vermögensanmeldungen geben sehr detailliert den Vermögensstand der von den Nationalsozialisten verfolgten jüdischen Bürgerinnen und Bürger von April 1938 bis in das Frühjahr 1939 wieder. Dem vierseitigen Formular sind zumeist noch der Briefverkehr zwischen der/dem Verfolgten und der Vermögensverkehrsstelle, Abrechnungen des Auktionshauses Dorotheum, die Bescheide zur „Judenvermögensabgabe“ und „Reichsfluchtsteuer“, Grundbuchsauszüge, Schätzgutachten, Betriebsabrechnungen und nicht zuletzt ein Statistikblatt zugeordnet, das alle (Vermögens-)Angaben in Kurzform zusammenfasst.

Die Vermögensanmeldungen mussten in dreifacher Ausfertigung der Wiener Vermögensverkehrsstelle zugeleitet werden. Jede einlangende Vermögensanmeldung wurde mit einer fortlaufenden Aktenzahl versehen. Offenbar wurde später den Anmeldungen, die unter dem Grenzbetrag von 5.000 Reichsmark lagen und nicht in die Anmeldepflicht fielen, eine Aktenzahl jenseits der Zahl 60000 vergeben. Die ‚frei gewordene‘ Aktenzahl wurde daraufhin neuerlich einer Vermögensanmeldung zugeteilt, wodurch zu einer Zahl gelegentlich zwei Personen aufscheinen können.

Ab November 1939 wurden seitens der Wiener Vermögensverkehrsstelle die Akten der Personen, welche in den Bundesländern/Gauen wohnhaft waren, zur weiteren Bearbeitung und Aufbewahrung dorthin abgetreten. Die Dokumente in den Vermögensanmeldungen erstrecken sich zumeist bis zur Jahreswende 1939/1940; selten finden sich noch persönliche Schreiben oder behördliche Schriftstücke aus dem Jahre 1941 oder später.

Die Arisierungsakten beziehen sich vor allem auf oberösterreichische Betriebe, welche zur Gänze oder teilweise in jüdischem Eigentum standen und von der „Arisierung“ betroffen waren. Darin findet sich jegliches Aktenmaterial, das durch die Entziehung des Betriebes seitens der Vermögensverkehrsstelle entstand, wie zum Beispiel die Bestellung kommissarischer Verwalter (Verwalterinnen), Bewerbungsunterlagen so genannter „arischer“ Erwerber beziehungsweise Vorgaben zur gewünschten Liquidation des Unternehmens, Abverkauf des Betriebsvermögens, et cetera. Manchmal geben die Unterlagen auch Hinweise auf den Verbleib der ehemaligen Eigentümerinnen und Eigentümer. Sie spiegeln die (bürokratisch erfassbaren) Vorgänge bis zur Liquidation der Vermögensobjekte, sofern diese vor 1944 erfolgte, wider.

Ersatzweise Informationsquellen

Es ergeben sich zahlreiche Überschneidungen mit anderen einschlägigen Aktenserien des Oberösterreichischen Landesarchivs (Finanzlandesdirektion - Beschlagnahmte Vermögen [kurz: FLDBV]; Finanzlandesdirektion - Vermögensrückstellung [kurz: FLDVR]; Vermögensanmeldungen; Gauselbstverwaltung [kurz: GSV]; Finanzabteilung Rückstellungskommission [kurz: FiRK]).

Erläuterungen und Anmerkungen

Die Vermögensanmeldungen sind im Oberösterreichischen Landesarchiv in alphabetischer Reihenfolge nach den Namen der Verfolgten geordnet. Die Arisierungsakten weisen keine wie immer geartete Ordnung auf; die Akten sind allerdings mit den durch das OÖLA vergebenen Verzeichnisnummern auffindbar.

Informationen zur Datenbearbeitung: Vermögensanmeldungen - Oberösterreich (Bestand IKG - Linz)
Informationen zur Datenbearbeitung: Arisierungsakten - Oberösterreich (Bestand IKG - Linz)