Akten der Öffentlichen Verwaltung

Historischer Entstehungshintergrund

Die gesetzliche Basis für die öffentliche Verwaltung bildeten das Gesetz über die Bestellung von öffentlichen Verwaltern und öffentlichen Aufsichtspersonen (StGBl. Nr. 9/1945) sowie das Verwaltergesetz (BGBl. Nr. 157/1946).

Mit dem StGBl Nr. 9/1945 konnten die zuständigen Staatsämter für Unternehmungen, die ihren Sitz, eine Zweigniederlassung oder eine Betriebsstätte innerhalb der vor dem 13. März 1938 bestandenen Grenzen der Republik Österreich hatten, öffentliche Verwalter bestellen, wenn es „wichtige öffentliche Interessen“ erforderten. Während der Dauer der öffentlichen Verwaltung ruhten die Befugnisse des Inhabers der Unternehmung und bei juristischen Personen die Befugnisse ihrer Organe. Der öffentliche Verwalter übte alle Rechte und Pflichten des Unternehmers aus und vertrat das Unternehmen nach innen und außen. War die Unternehmung in das Handelsregister oder Genossenschaftsregister eingetragen, so war die Bestellung oder Enthebung eines öffentlichen Verwalters in das Register einzutragen.

Die zuständigen Staatsämter konnten in Wahrung öffentlicher Interessen Unternehmungen, die ihren Sitz in den oben erwähnten Gebieten hatten, auch unter öffentliche Aufsicht stellen. Die Geschäftsführung dieser Unternehmungen hatte der bestellten Aufsichtsperson alle notwendigen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in ihre Bücher und Korrespondenzen zu gewähren. Der Aufsichtsperson stand zudem ein Einspruchsrecht gegen alle die Geschäftsführung betreffenden Verfügungen mit der Wirkung zu, dass diese Verfügungen bis zur Entscheidung des zuständigen Staatsamtes zu unterbleiben haben.

Die öffentlichen Verwalter und die öffentlichen Aufsichtspersonen wurden nach Anhörung der zuständigen Kammer und der zuständigen Berufsvertretung der Arbeiter und Angestellten bestellt. Sowohl die öffentlichen Verwalter als auch die öffentlichen Aufsichtspersonen hatten bei ihrer Tätigkeit die Weisungen des zuständigen Staatsamtes zu befolgen und ihm über ihre Tätigkeit zu berichten und hatten Anspruch eine angemessene Entlohnung, deren Höhe unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens vom zuständigen Staatsamte bestimmt wurde. Die aus der Bestellung von öffentlichen Verwaltern und öffentlichen Aufsichtspersonen entstehenden Kosten sowie die Kosten notwendiger Überprüfungen war von der Unternehmung zu tragen.

Wer nach dem 1. März 1945 in einer Unternehmung allein oder mit anderen die Geschäftsführung oder die Aufsicht übernommen hatte, hatte dies binnen acht Tagen nach Inkrafttreten des Gesetzes dem zuständigen Staatsamt oder den von diesem bestimmten Behörden zu melden, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes über die Fortdauer der Verwaltung oder der Aufsicht entscheiden konnten. Die zuständigen Staatsämter konnten die ihnen nach dem Gesetz zustehenden Befugnisse nachgeordneten Behörden übertragen. Durch Verfügung des zuständigen Staatsamtes konnte im Einvernehmen mit der zuständigen Kammer und der zuständigen Berufsvertretung der Arbeiter und Angestellten die Auflösung einer unter öffentliche Verwaltung gestellten Unternehmung angeordnet werden. Schadenersatzansprüche des Inhabers oder der Inhaberin der Unternehmung oder eines an der Unternehmung Beteiligten gegen den öffentlichen Verwalter konnten nur mit Genehmigung der Stelle, welche die öffentliche Verwaltung verfügt hatte, geltend gemacht werden. Diese Genehmigung war zu erteilen, wenn das zuständige Staatsamt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Verwalters als gegeben annahm. Die Bestimmungen dieses Gesetzes fanden auch auf sonstige Vermögenschaften und Vermögensrechte sinngemäß Anwendung, die nicht Gegenstand einer Unternehmung sind.

Das Verwaltergesetz (BGBl. Nr. 157/1946) schaffte eine neue gesetzliche Grundlage für die Bestellung öffentlicher Verwalter, nachdem das Gesetz über die Bestellung von öffentlichen Verwaltern und öffentlichen Aufsichtspersonen (StGBl. Nr. 9/1945) mit dem Bundesgesetz über öffentliche Verwalter und öffentliche Aufsichtspersonen (vgl. BGBl. Nr. 75/1946) aufgehoben worden war. Die Bestellung öffentlicher Verwalter fiel nun in die Kompetenz des Bundesministeriums für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung (vgl. BGBl. Nr. 56/1946). Verwalter konnten nun bestellt werden, wenn zum einen „wichtige öffentliche Interessen an der Weiterführung des Unternehmens und Sicherstellung der Vermögenswerte“ vorlagen und die Verfügungsberechtigten Personen waren,
a) auf die die Bestimmungen des § 17 des Verbotsgesetzes (StGBl. Nr. 13/1945) Anwendung fanden, oder
b) über die die ordentliche Untersuchungshaft wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung verhängt worden war, die mit Einziehung des Vermögens bedroht war, oder
c) die flüchtig oder unbekannten Aufenthaltes oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage waren, für die ordnungsgemäße Führung des Unternehmens die nötigen Verfügungen zu treffen oder sonst keine Gewähr hierfür boten, oder
d) die zur Anmeldung im Sinne des Gesetzes arisierter und anderer im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtübernahme entzogener Vermögenschaften (StGBl Nr. 10/1945) verpflichtet waren, sofern die Gefahr einer Vermögensverschleppung bestand,
e) die entweder am 13. März 1938 die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hatten oder nach diesem Tag in Österreich gelegene Vermögenschaften (Vermögensrechte) von einer derartigen Person erworben hatten.

In seiner im Auftrag der Österreichischen Historikerkommission angestellten Untersuchung zur österreichischen Finanzverwaltung und die Restitution entzogener Vermögen 1945 bis 1960 stellte Peter Böhmer zum Verwaltergesetz fest, dass die österreichische Regierung und Behörden in der unmittelbaren Nachkriegszeit „irreversible Entscheidungen über die zahllosen Vermögenschaften mit unklaren Eigentumsverhältnissen vermeiden“ wollten und daher mit Hilfe des Verwaltergesetzes öffentliche Verwalter geschaffen wurden, die „eine Art interimistische Geschäftsführung unter Ausschaltung des bisher Verfügungsberechtigten“ darstellten. Im Idealfall sei über eine Vermögenschaft ein öffentlicher Verwalter eingesetzt worden, bis es zu einer rechtmäßigen Entscheidung über die Eigentumsstruktur gekommen sei. Danach sollte der öffentliche Verwalter abberufen werden. Durch seine Forschungen habe jedoch nicht geklärt werden können, „ob eine öffentliche Verwaltung eine Rückstellung generell begünstigte oder verhinderte“, so Böhmer.

Böhmer teilt die öffentliche Verwaltung in drei Phasen ein: Die erste Phase dauerte von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis etwa Mitte 1946, in der vor allem die Besatzungsbehörden das Einsetzen von Verwaltern kontrollierte, die zweite Phase von 1946 bis 1950, in der das Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung (BMVS) das Geschehen bestimmte und die dritte Phase von 1950 bis zum Staatsvertrag 1955, die mit der Übernahme der Befugnisse des aufgelösten BMVS durch das Bundesministerium für Finanzen (BMF) begann.

Akteninhalt

Die Akten der Öffentlichen Verwaltung im Wiener Stadt- und Landesarchiv beinhalten die behördlichen Unterlagen der vom Wiener Magistrat beaufsichtigten öffentlichen Verwaltungen betreffend Firmen und Kapitalgesellschaften, Liegenschaften, Handel- und Gewerbebetriebe, Landwirtschaftliche Betriebe, Kinos und Industriebetriebe in Wien, wo 1947 rund 990 Unternehmungen unter öffentliche Verwaltung gestellt waren.

Ersatzweise Informationsquellen

Die Bestellung und Abberufung eines öffentlichen Verwalters war im Handelsregister einzutragen. Ersatzweise Informationsquellen für die öffentlichen Verwaltungen sind etwa Informationen über Firmenenteignungen oder Firmenliquidationen in der Kartei und den Akten der ehemaligen Vermögensverkehrsstelle (im Österreichischen Staatsarchiv – ÖStA). Zu Entziehungen und Rückstellungsverfahren können auch die Akten nach der Vermögensentziehungs-Anmeldungsverordnung, die Rückstellungsakten der Finanzlandesdirektionen, die Akten der Rückstellungskommissionen oder die Kartei „Erfassung Betriebe“ der Sammelstellen A und B (ÖStA) herangezogen werden. Anhand der Einträge im Gewerberegister (MA 63 beziehungsweise MA 8) kann eruiert werden, wer von wann bis wann im Eigentum einer Gewerbeberechtigung war und wo dieses Gewerbe ausgeübt wurde.