Informationen zur Datenbearbeitung: Entziehung von Forderungen von Juden

Aufgabenstellung

Nach der ersten Durchsicht des sich über vier Kartons erstreckenden Aktes der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Finanzlandesdirektion Wien) mit der Registraturzahl (Aktenzahl) 21340 und der wenig aussagekräftigen Bezeichnung „Judenforderungen“ stellte sich bald heraus, dass

  1. es sich um Unterlagen über Personen und Unternehmen handelt, denen durch den Oberfinanzpräsidenten Wien-Niederdonau aufgrund der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz Geldbeträge aus Forderungen entzogen worden waren, und dass
  2. diese Daten nicht in der Kartei der Finanzlandesdirektion Wien zu den Akten nach dem Ersten Rückstellungsgesetz berücksichtigt worden waren.

Damit blieben die Namen der geschädigten natürlichen und juristischen Personen bei der elektronischen Erfassung der FLD-Kartei durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Allgemeinen Entschädigungsfonds und im Findbuch für Opfer des Nationalsozialismus unberücksichtigt.
Eine nachträgliche elektronische Erfassung der Daten der Geschädigten durch eine systematische Durchsicht des Materials und die Dokumentation der entzogenen Geldbeträge erschien aus zwei Gründen angebracht:

  1. Da üblicherweise jeder Akt nach dem Ersten Rückstellungsgesetz durch eine Karteikarte zu der vom NS-Regime geschädigten Person erschlossen und auffindbar gemacht wurde, musste hier von einem gravierenden dokumentarischen Mangel ausgegangen werden, da angenommen werden konnte, dass hier Personen erstmals im Zusammenhang mit einem NS-Entziehungstatbestand aufscheinen.
  2. Die Fülle an Belegen, ihre unübersichtliche Ablage und der über weite Strecken schlechte physische Zustand der Unterlagen legten schon aus dem Grunde der Schonung des Archivmaterials nahe, den Inhalt so anschaulich als möglich für das Findbuch für Opfer des Nationalsozialismus zu erschließen und zu dokumentieren.

Digitalisierung

Auf der Grundlage der systematischen Durchsicht des aus vier Kartons bestehenden Aktenmaterials wurden die Nachnamen, Vornamen, gegebenenfalls die Mädchennamen und die Geburtsdaten sowie die Geschäftsnamen in eine elektronische Liste aufgenommen. Bei den entzogenen Geldbeträgen wurde die jeweilige Währung (Reichsmark [RM] oder österreichischer Schilling [ÖS]) und die als Drittschuldnerin fungierende Institution (zum Beispiel Reichsbahndirektion) festgehalten und in das Feld Anmerkungen geschrieben. Zu den Beträgen ist festzuhalten, dass versucht wurde die vom Oberfinanzpräsidenten Wien-Niederdonau tatsächlich entzogenen beziehungsweise vereinnahmten Beträge, in der Regel durch eine „Annahmeanordnung“ und eine Art von Buchungsbeleg (Papierstreifen) dokumentiert, zu erfassen. Durch die Unordnung in der Ablage der Unterlagen (gelegentliche doppelte bis dreifache Ablage von Unterlagen zu einer Geschäftszahl des Oberfinanzpräsidenten in den Kartons), kann nicht ausgeschlossen werden, dass Forderungen von Jüdinnen und Juden, die in ÖS angegeben waren durch die nachträgliche Umrechnung in RM und die wiederholte Angabe in Reichsmark doppelt erfasst wurden; genauso wenig kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch solche Mehrfachangaben einzelne Forderungen als entzogene Vermögen nicht erfasst wurden.
Die Arbeiten an der elektronischen Erfassung der Daten und der Überarbeitung der Digitalisierung erfolgten durch einen Mitarbeiter der Abteilung Historische Recherche des Allgemeinen Entschädigungsfonds und wurden im Februar und März 2014 durchgeführt.

Überarbeitung der Digitalisierung

In einem ersten Schritt wurden alle Einträge, die zweifelsfrei auf eine identische Person lauteten zu einem Eintrag zusammengefasst. Das galt besonders für betragsmäßig gleichlautende Ratenzahlungen, deren über die Kartons verteilten Belege zu einer Vielzahl von elektronischen Einträgen führten. In einem weiteren Schritt wurden mittels des „Wiener Adreßbuch, Lehmanns Wohnungsanzeiger 1938“, und zwar der Teile zu Namen, Adressen und der so genannten „Protokollierten Firmen“ die Geschäftsnamen überprüft, gegebenenfalls korrigiert beziehungsweise ergänzt und der Geschäftstyp hinzugefügt. Da unter den geschädigten Personen viele Rechtsanwälte aufschienen, wurde in einem weiteren Schritt anhand des biografischen Verzeichnisses „Advokaten 1938“ (Barbara Sauer/Ilse Reiter-Zatloukal: Advokaten 1938. Das Schicksal der in den Jahren 1938 bis 1945 verfolgten österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte) die Geburtsdaten überprüft, nötigenfalls korrigiert oder bei eindeutiger Identität ergänzt.
Unvollständige Einträge wurden durch Abfragen im Findbuch für Opfer des Nationalsozialismus und in den fondseigenen Ressourcen (interne Datenbank) ergänzt.