Slowenenaussiedlung und Wiedergutmachung / D.A.G. - Liegenschaften - Kärnten

Vorbemerkungen

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf zwei unterschiedliche, jedoch in zeithistorischer und thematischer Weise zusammenhängende Quellen: Einerseits auf die im Kärntner Landesarchiv verwahrten Akten Slowenenaussiedlung und Wiedergutmachung (kurz: SuW) mit den darin befindlichen Unterlagen der Deutschen Ansiedlungsgesellschaft (kurz: DAG oder D.A.G.) und der Deutschen Umsiedlungs-Treuhand-Gesellschaft (kurz: DUT) in Kärnten zwischen 1942 und 1945. Gegenstand ihrer Tätigkeiten waren kurz gefasst Liegenschaften, die durch das nationalsozialistische Regime entzogen worden waren; andererseits ein im Österreichischen Staatsarchiv aufgefundenes Verzeichnis über Kärntner Liegenschaften. Dieses enthält Informationen der Öffentlichen Verwaltung der DAG und DUT als deutsches Eigentum durch österreichische Behörden nach 1945. Während der Aktenbestand SuW die materielle Basis für Recherchen bietet, dienen die Daten des Verzeichnisses aus dem Österreichischen Staatsarchiv als ergänzende Informationsquelle ohne unmittelbar vorhandenen Aktenbestand.

Historischer Entstehungshintergrund

Im Rahmen der so genannten „Germanisierungspolitik“, die sich mittels Repression, Vertreibung und physischer Vernichtung gegen (im nationalsozialistischen Sinne) „nicht-arische“ Volksgruppen und Bevölkerungsteile richtete, lassen sich in Bezug auf die slowenische Volksgruppe in Kärnten zwei unterschiedliche Entwicklungsprozesse nachzeichnen: Auf der einen Seite setzten bereits im März 1938, nach dem „Anschluss“ Österreichs an Deutschland Verfolgungs- und Repressionsmaßnahmen gegen die slowenische Bevölkerung ein. In der Folgezeit wurden diese vom NS-Regime nicht nur sukzessive verschärft, sondern spitzten sich die Lebensumstände der slowenischen Bevölkerungsgruppe nach dem deutschen Überfall auf Jugoslawien im April 1941 durch wirtschaftliche und kulturelle Unterdrückung sowie gegen Volksgruppenangehörige gerichteten Verfolgungsmaßnahmen zu.
Auf der anderen Seite schlossen das Deutsche Reich (in Entsprechung zur nationalsozialistischen Rassenpolitik) und das faschistische Italien (in Entsprechung zur „Italianisierung“ der nach dem Ersten Weltkrieg Italien zugesprochenen Gebiete) im Oktober 1939 ein Abkommen, das der deutschsprachigen Bevölkerung unter anderem in Südtirol und im Kanaltal die Auswanderung in das Deutsche Reich beziehungsweise in den nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges deutsch besetzten Gebieten (zum Beispiel Polen) als ‚Option’ nahe legte.
Den negativen Höhepunkt erreichten die Repressionen im April 1942, als überfallsartig mehr als 1.000 Sloweninnen und Slowenen aus ihren Wohnhäusern und von ihren landwirtschaftlichen Besitzungen vertrieben wurden. Über 900 Vertriebene wurden zunächst in einem Durchgangslager in Ebenthal/Žrelec festgehalten und gezwungen, ihr bewegliches und unbewegliches Vermögen der DAG zu übertragen. Dieses wurde in der Regel nachträglich nach der „Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich“ beschlagnahmt. Die Nationalsozialisten deportierten anschließend die Sloweninnen und Slowenen zur Zwangsarbeit in Lager nach Deutschland. Durch die Vertreibungen, die sich vereinzelt bis 1944 fortsetzten, sollte nicht nur die slowenische Volksgruppe zurückgedrängt werden, sondern sollten auch Siedlungsflächen für Personen frei werden, die der nationalsozialistischen Rassentheorie entsprachen, so zum Beispiel für jene Personen aus dem Kanaltal, die sich für eine Aussiedlung aus Italien entschieden hatten („Optanten“).

Nach der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 verordnete die Provisorische Kärntner Landesregierung im August 1945 die Nichtigkeit der nach der Vertreibung abgeschlossenen Kauf- und Pachtverträge sowie die Rückübertragung enteigneten (Liegenschaft-)Vermögens an die vertriebenen Kärntner Sloweninnen und Slowenen. Zum Zwecke der Feststellung von materiellen Schäden und zur Auszahlung von Entschädigungen wurde eine „Hofbegehungskommission“ geschaffen. Die gewährten Entschädigungen entstammten vorerst der so genannten „Südkärnten Hilfe“, die unmittelbar vor beziehungsweise nach dem Inkrafttreten des Währungsschutzgesetzes von 1947 ausbezahlt wurde, wodurch den Empfängerinnen und Empfängern erhebliche Entwertungen der Kaufkraft der Auszahlungsbeträge zugefügt wurden.

Gemäß den ihnen unter anderem durch den nationalsozialistischen „Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums“ (Heinrich Himmler) übertragenen Aufgabenstellungen und Aufgabenteilungen waren in Kärnten die DAG und die DUT mit unterschiedlichen, jedoch sich ergänzenden Funktionen im Rahmen der „Germanisierungspolitik“ beauftragt: Die DAG (Zweigstelle Ostmark mit Sitz in Wien) hatte über eine Geschäftsstelle in Klagenfurt den Auftrag, insbesondere in den slowenischen Siedlungsgebieten landwirtschaftliche Liegenschaften zu übernehmen, zu schätzen und eine Treuhandverwaltung und „Zwischenbewirtschaftung“ mit dem Ziel durchzuführen, die Liegenschaften an Personen zu übergeben, die den Nationalsozialisten genehm waren. Die DUT (mit Hauptsitz in Berlin und über eine Niederlassung in Klagenfurt) hatte die Aufgabe deutschsprachige „Umsiedler“ (zum Beispiel aus dem norditalienischen Kanaltal) vermögensrechtlich und finanziell in Hinsicht auf ihre Ansiedlung auf ehemalige slowenische Landwirtschaftsbetriebe zu betreuen.
Nach der Befreiung Österreichs von der NS-Herrschaft 1945 wurde sowohl die DAG als auch die DUT als ehemalige deutsche Vermögenswerte unter Öffentliche Verwaltung gestellt, das heißt, dass sie unter Kontrolle der Republik Österreich durch einen beauftragten Treuhänder verwaltet wurden. Bezüglich der DAG, nunmehr „Öffentliche Verwaltung der Deutschen Ansiedlungsgesellschaft, Zweigniederlassung Wien“, wurden die Liegenschaften in Kärnten über eine Geschäftsstelle in Klagenfurt ökonomisch verwaltet und formal rechtlich vertreten (zum Beispiel in Rückstellungsverfahren).

Akteninhalt

Der Aktenbestand SuW des Kärntner Landesarchivs (kurz: KLA) besteht auf der einen Seite aus den so genannten „Hofakten“, die rechtliche und wirtschaftliche Aspekte über Liegenschaften vom Zeitpunkt der Beschlagnahme und Vertreibung (zumeist 1942) bis hin zu Rückstellungsverfahren und der Regelung von Entschädigungsfragen nach der Befreiung Österreichs widerspiegeln. Sie setzen sich aus den Verwaltungsakten der die Liegenschaften vorerst übernehmenden DAG, Geschäftsstelle Klagenfurt, beziehungsweise der DUT als oftmaliger, formaler Grundbuchseigentümerin zusammen. Somit decken die „Hofakten“ bezogen auf Liegenschaften den Zeitraum der nationalsozialistischen Enteignungsmaßnahmen von 1942 bis 1945, sowie mit den „Rückübergaben“ und Rückstellungsverfahren die Jahre nach 1945 ab.
Auf der anderen Seite stehen die so genannten „Sachakten“ der Wiedergutmachungsabteilung des Amtes der Kärntner Landesregierung. In diesen Akten werden die Entschädigungszahlungen im Rahmen der „Südkärntner Hilfe“ und der „Abstimmungsspende“ der österreichischen Bundesregierung anlässlich des 30. Jahrestages der Volksabstimmung (1950) über den Verbleib der slowenischen Siedlungsgebiete bei Österreich dokumentiert. Die Aktenbildung hinsichtlich dieser Entschädigungsmaßnahmen umfasst die Jahre 1946 bis 1952.

Informationsgehalt

Die „Hofakten“ können folgende Unterlagen enthalten:

  • Übernahmeprotokoll der DAG: Dieses umfasst eine Inventarliste des entzogenen und der DAG übertragenen Liegenschaftsvermögens.
  • Schätzungsgutachten über das entzogene Liegenschaftsvermögen
  • Abschriften aus dem Grundbuch
  • Kauf- oder Pachtverträge mit der DUT
  • Übergabeprotokolle an die Pächter
  • Schriftverkehr, Abrechnungsunterlagen und Belege zwischen den Käufern beziehungsweise Pächtern der Liegenschaften und der DAG beziehungsweise der DUT
  • Schriftverkehr des Amtes der Kärntner Landesregierung im Zusammenhang mit der so genannten „Rückübergabe“ von Liegenschaftsvermögen und Inventar
  • Korrespondenz, Protokolle und Ausfertigungen von Vergleichen oder Erkenntnissen der Rückstellungskommission beim Landesgericht Klagenfurt nach dem Dritten Rückstellungsgesetz

Die „Sachakten“ enthalten zum einen die Verwaltungsunterlagen aus dem Zeitraum der Verfügungsgewalt der DAG über beschlagnahmte landwirtschaftliche Liegenschaften, zum anderen Unterlagen über die Zahlungen aus der „Südkärntner Hilfe“ und der „Abstimmungsspende“ aus den Jahren nach 1945, wobei letztere nur unter der Voraussetzung eines Verzichts auf die Erhebung von weiteren Forderungen gewährt wurde. In diesen Akten finden sich kaum personenbezogene Daten oder biografische Informationen.

Ersatzweise Informationsquellen

Die sich über den Zeitraum 1942 bis 1959 ergebenden Thematiken des Aktenbestandes Slowenenaussiedlung und Wiedergutmachung (Unterdrückung, Verfolgung, Deportation und Enteignungen durch die Nationalsozialisten bis hin zu Entschädigungsleistungen und der Rückstellungsgesetzgebung nach 1945) zeigen vielfältige Verbindungen zu anderen Aktenbeständen im KLA. In erster Linie sind die Akten der Opferfürsorge und der Rückstellungskommission (und Rückgabekommission) beim Landesgericht Klagenfurt zu nennen.

Erläuterungen und Anmerkungen

Die in dem Verzeichnis der Liegenschaften der DAG verwendeten Aktennummern als Kombination des Buchstabens „K“ mit einer Zahl der Reihe 500 und 600 für enteignetes Liegenschaftseigentum von Sloweninnen und Slowenen stimmen mit den Aktennummern der DAG-Teilakten, so sie vorhanden sind, im Bestand der SuW („Hofakten“) überein.
Sachliche Querverbindungen des Aktenbestandes SuW ergeben sich über die in den „Hofakten“ befindlichen Aktenteile der DAG (beziehungsweise der DUT) zu einem Aktenbestand der Deutschen Ansiedlungsgesellschaft, Zweigstelle Ostmark des Österreichischen Staatsarchivs, der – üblicherweise – nach Gemeinden oder Bezirken (Kreisen) geordnete Spezialakten für Kärnten umfasst und in einem geringen Umfang personalisierte Akten enthält.

Informationen zur Datenbearbeitung: Slowenenaussiedlung und Wiedergutmachung – Kärnten
Informationen zur Datenbearbeitung: Verzeichnis der Deutschen Ansiedlungsgesellschaft – Liegenschaften Kärnten

Kärntner Landesarchiv

Kärntner Landesarchiv
Bestandsgruppe: LB – Landesbehörden
Bestand: Slowenenaussiedlung und Wiedergutmachung
Signatur: AT-KLA 491
Zeitraum: 1942 bis 1959

Kurzbezeichnung für die Aktenart: SuW

Österreichisches Staatsarchiv

Österreichisches Staatsarchiv
Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik
Bestandsgruppe: Entschädigungs- und Restitutionsangelegenheiten, 1938 bis 1985
Bestand: Bundesministerium für Finanzen – Vermögenssicherung
Aktenserie: Deutsche Ansiedlungsgesellschaft (1946 bis 1952; hier: 1946, 1947)

Kurzbezeichnung für die Aktenart: DAG (oder: D.A.G.)